„BIN ICH“ oder „BIN ich nur weil er/sie IST“? – Der lange Weg zur Selbstliebe

Mein Ex-Freund und wohl nahestehendster Mensch in meinem Leben, hat gestern etwas für mich sehr bedeutungsvolles gesagt. Genau genommen, hat er mit seiner Aussage einfach genau das auf den Punkt gebracht, was mich tagtäglich beschäftigt, um nicht zu sagen, mich zermürbt.

Natürlich gibt es eine Vorgeschichte dazu. In erster Linie die Tatsache, dass ich nie irgendwo, mit irgendwem richtig wohne, sondern immer den Großteil meiner Sachen in meiner Wohnung in meinem Elternhaus lasse, was wohl deutlich macht, wie unsicher ich mir in meiner Partnerwahl und der Zukunft der Partnerschaften bin. Quasi immer mit einem Fuß in der Tür und mit einem draußen. Zum anderen meine immer wiederkehrenden Träume. Auf diese Träume und auch die Partnerschaften möchte ich jedoch in einem gesonderten Beitrag eingehen, da es sonst den Rahmen sprengt.

Er sagte zu mir: „Du solltest einfach deine Sachen packen und weit weggehen, egal wohin – nur du, alleine, ohne Handy, ohne alles. Dann kannst du dir vielleicht klar werden, wie und wo du einmal deinen Lebensabend verbringen möchtest.“

BUMM – Das hat mich erstmal wachgerüttelt.

Ich sagte dann, dass ich das nicht kann und was ist mit unserem Hund?

Er meinte nur: „Doch du kannst und unser Hund wartet hier auf dich.“ (Anm.: Unser gemeinsamer Hund lebt seit unserer Trennung bei ihm, ich besuche ihn regelmäßig und hole ihn auch mal zu mir. Und glaubt mir, allein dafür, ihn nicht immer bei mir zu haben, fühle ich mich schon mega beschissen. Aber ich weiß, dass ich es so entschieden habe. Es ist also allein meine Schuld. Was es nicht leichter macht.)

Nun ist man vielleicht geneigt zu sagen, naja abhauen löst ja auch keine Probleme oder wie willst du das bezahlen usw. usf. Das mag ja grundsätzlich richtig sein. In meinem Fall und ich glaube im Fall von Menschen, denen es ähnlich geht wie mir, sind diese Argumente jedoch falsch. Es sind dann nämlich eben keine Argumente, sondern Ausreden. Ausreden wegen der eigenen Ängste die einen dann umtreiben.

Wo soll ich hin? Alleine!?! OMG das pack ich nicht! Wie soll ich über die Runden kommen? Was passiert dann? Wie geht es danach weiter? Übersteh ich das überhaupt? Was, wenn daheim etwas passiert und ich kann nicht da sein? Nein, nicht alleine, ich muss jemanden mitnehmen!!!

Und schon sind wir bei dem eigentlichen Problem angekommen: Der Angst.

Die Angst, dass sichere Nest zu verlassen, alles zurückzulassen, nur auf sich gestellt sein, vor allem aber, mit sich alleine sein. Nur du und deine Gedanken. Du und deine Ängste. Niemand ist da, dem du gefallen willst oder nicht vielmehr sogar musst (?) , weil es dein geringes Selbstwertgefühl und deine Emotionen gar nicht anders zulassen, als dich an jemanden zu klammern, durch den du, wie du in deiner völlig verqueren Welt glaubst, überhaupt erst irgendeinen Wert erlangst, durch den du überhaupt erst gesehen wirst. Was wenn da niemand mehr ist? Wirst du unsichtbar? Stirbst du? Keiner wird dich auch nur wahrnehmen und wenn doch, dann nur als das nutzlose, hässliche kleine Ding was du bist.

Ist doch so, oder vielleicht doch nicht? Ist es so, dass dir eine solche Reise, eine Loslösung von den Dingen, die dich so sehr belasten und verwirren nur noch mehr vor Augen führt, wie verloren du doch alleine bist? Oder besteht nicht tatsächlich die Möglichkeit, dass du aus einer solchen Erfahrung gestärkt und mit dem Wissen herausgehst, dass du niemanden brauchst um deinen eigenen Wert zu erkennen! Vielleicht erkennst du, wie wertvoll dein Leben ist und was für ein großartiger, liebenswürdiger, humorvoller Mensch du doch bist und das ganz ohne Bestätigung von außen! Das Wissen, dass es so ist, dass DU so bist, es kommt von innen. Du kannst dich vielleicht lieben, für das was du bist und dich anerkennen ohne dafür eine Bestätigung von außen zu brauchen. Und du weißt jetzt, du kannst deine Ziele schaffen, auch ganz alleine! Stelle es dir doch einfach mal vor! Es würde alles verändern! Alles, was du bisher zu brauchen glaubtest! Alles unwichtig. Bestätigung von außen? Klar, ein gewisses Maß an Bestätigung oder vielmehr Anerkennung von anderen, braucht der Mensch, aber nicht in einer Form, in der man sich selbst nicht mal wertschätzen oder gar lieben kann, ohne die Bestätigung des Partners oder wem auch immer. In einer Form also, bei der man sich nur noch über Dritte definiert.

Ist es nicht einfach furchtbar anstrengend, immer und immer wieder darum zu buhlen, diese Bestätigung von außen zu bekommen? Nur weil da in dir drin nichts ist, was stark genug ist dir zuzurufen: „Du bist gut! Du bist schön! Du bist toll!“ Ich empfinde es als sehr anstrengend, um nicht zu sagen, mit den Jahren wird es immer anstrengender. Es raubt dir deine Kraft, es raubt dir deine Würde und es raubt dir deinen letzten Funken Selbstbeherrschung. Irgendwann würdest du einfach alles tun für dieses kleine bißchen Aufmerksamkeit….den kurzen Kick… das unübertreffliche Gefühl begehrt und geliebt zu werden… Du hast diesen Typ, von dem du natürlich jedesmal glaubst: „Der ist es jetzt aber wirklich definitiv, ich bin mir ganz sicher. Mit dem will ich für immer zusammen sein!!“ also (wiedermal) rumgekriegt, ja er hat vielleicht sogar seine Freundin verlassen für dich, denn du bist ein Meister im umgarnen und wie so viele vor ihm glaubt er, er ist jetzt der Auserwählte mit dem alles anders wird. Endlich fühlst du dich wieder bestätigt, gebraucht, besser als andere. Er zeigt dir, was du doch für eine tolle Frau bist, so schön und intelligent…. Und du? Du redest dir vielleicht zu Beginn noch ein, dass du ihn liebst, schließlich warst du doch so überzeugt, vielleicht merkst du aber auch sofort im nächsten Moment, wie scheißegal dir dieser Typ  doch eigentlich ist. Jetzt hast du ihn. Der Mann von dessen Zuneigung du dir so viel versprochen hast, von der du geglaubt hast, sie wird dich retten, sie vertreibt all deine inneren Dämonen.

Nein…. Deine Dämonen klopfen an, melden sich zurück und du lässt sie rein. Du kannst gar nicht anders als sie hereinzulassen. Und du beginnst von vorne. Du gehst auf die Jagd, visierst dein Ziel an, versprühst deinen Charme und bumm, erlegt. Dein nächster Kick, Glückseligkeit, wenigstens für den Moment…. Und das Image der Schlampe rückt näher und näher…. Was dich wiederum so unglücklich macht, dass du weiter machst. Du brauchst ja schließlich Bestätigung…

Wie lang willst du dieses zerstörerische Spiel spielen? Zerstörerisch für alle Beteiligten. Du kennst keinen Ausweg. Es gibt einfach nichts, womit du dir sonst zeigen kannst, dass du wertvoll bist. Selbst wenn du dich versuchst zu bessern, dem abzuschwören, dich auf dich zu konzentrieren, keinen Schmerz mehr verbreiten zu wollen, du verlierst am Ende. Am Ende stehen immer wieder die Dämonen mit den Namen „Ich kann nichts“, „Ich weiß nichts“, „Ich bin nichts wert“ vor dir. „Clean“ zu werden, sich den Kick nicht mehr zu holen, ist hart. Es ist Entzug. Du musst also was tun. Du verlierst dich sehr wahrscheinlich in deinen anderen selbstzerstörerischen Riten, die du doch so gut kennst… Suchtverlagerung. Nichts anderes ist es doch, was da mit dir, mit mir, mit uns passiert…

Nun, ich glaube viele Betroffene kennen dieses Gefühl, um nicht zu sagen, dieses rießige Chaos aus Gefühlen, diesen Teufelskreis.

Nachdem ihr jetzt meine Ausführungen gelesen habt, hier noch mal die Worte meines Ex-Freundes:

„Du solltest einfach deine Sachen packen und weit wegfahren – nur du, alleine, ohne Handy, ohne alles. Dann kannst du dir vielleicht klar werden, wie und wo du einmal deinen Lebensabend verbringen möchtest.“

Ich möchte bewusst mit seinen Worten abschließen, um euch die Möglichkeit zu geben, so darüber nachzudenken, wie ich es unwillkürlich tun musste. Und ich denke seit er diesen Satz gesagt hat darüber nach. Wieder und wieder… Denn in einem Punkt, hatte ich die Antwort sofort vor Augen. So klar, wie nie zuvor. Ich muss jetzt nur noch mutig sein und handeln und an mich denken und ich mich hineinfühlen….

Ich wünsche euch, dass ihr es könnt und dass seine Worte vielleicht auch bei euch etwas auslösen…

Ich freue mich über Kommentare und eure Meinungen hierzu!

Alles Liebe

Eure le réfléchi

 

Über madameperturbe

diagnostiziert emotional-instabile Persönlichkeit (Borderline-Typ) seit 4 Jahren, tatsächliche Krankheitsdauer sehr viel länger einschließlich jahrelangem selbstverletzenden Verhalten, Anorexie, Bulimie, Suizidversuch und ständige -gedanken, teils heftige Stimmungsschwankungen, Bindungs- und Verlustangst, alles und nichts, Substanzmissbrauch
Dieser Beitrag wurde unter Angst, Gesellschaft/Freunde, Idealisieren und Abwerten, Liebe abgelegt und mit , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar